Nahaufnahme eines großen Unterkieferfossils mit zwei langen Stoßzähnen, ausgestellt auf dunklem Boden. Ein Schild in deutscher Sprache identifiziert es als den Unterkiefer von Mammut borsoni aus dem Oberpliozän, der vor etwa 3 Millionen Jahren in der Nähe von Kaltensundheim gefunden wurde.

Dorfmuseum Kaltensundheim – oder wie das Mastodon in die Rhön kam

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​In der malerischen Rhön, eingebettet zwischen sanften Hügeln und weiten Wiesen, liegt das beschauliche Dorf Kaltensundheim. Abseits großer Touristenströme bewahrt es ein Stück Erdgeschichte, das seinesgleichen sucht: das Dorfmuseum im historischen Backhaus von 1704. Hier wird nicht nur die lokale Geschichte lebendig, sondern auch ein spektakulärer Fund aus der Urzeit – das Mastodon von Kaltensundheim.​

Ein Dorf mit Geschichte

Kaltensundheim kann auf eine lange Historie zurückblicken. Erstmals urkundlich erwähnt am 23. Dezember 795, entwickelte sich der Ort über die Jahrhunderte zu einem kulturellen Zentrum in der Rhön. Das Wahrzeichen des Dorfes ist die 1604 erbaute Wehrkirche im gotischen Stil, die auf einem Kalksteinfelsen den höchsten Punkt des Ortes einnimmt. Sie entstand aus einer alten Burganlage, deren sechs bis sieben Meter hohe Mauer und der Wehrturm von 1495 noch erhalten sind. ​

Das Ortsbild wird geprägt von Fachwerkhäusern, darunter das Gemeindebackhaus von 1704. Dieses beherbergt heute das Dorfmuseum, das über die Ortsgeschichte, das ländliche Brauchtum und die DDR-Geschichte informiert. ​

Die Wehrkirche in Kaltensundheim

Das Dorfmuseum: Ein Blick in die Vergangenheit

Ein Haus mit Geschichte: Das Gemeindebackhaus von 1704

Wenn Ihr durch Kaltensundheim spaziert, kommt Ihr unweigerlich an einem charmanten Fachwerkhaus vorbei, das schon von außen Geschichten erzählt. Das Dorfmuseum befindet sich im sogenannten Gemeindebackhaus – und dieses Gebäude ist selbst ein echtes Schmuckstück. Bereits 1704 errichtet, zeigt es eindrucksvoll, wie traditionelles Handwerk und ländlicher Alltag in der Rhön einst ausgesehen haben.

Besonders auffällig ist der weit vorstehende Giebel mit seinen geschnitzten Verzierungen und den elegant geschwungenen Kopfbändern. Fünf kunstvoll geschnitzte Palmetten im Giebelbereich und eingemeißelte Jahreszahlen erzählen von der Liebe zum Detail, die man hier in die Baukunst investierte. Eine eingeschnitzte Brezel von 1706 erinnert daran, dass dieses Gebäude einmal der wichtigste Ort für Brot und Gebäck im Dorf war.

Ein traditionelles Fachwerkhaus mit grüner Tür und dekorativen Mustern an der Fassade steht in einer Kopfsteinpflasterstraße in Kaltensundheim, umgeben von modernen Gebäuden.

Von Brot und Brauchtum: Die Ausstellung im Erdgeschoss

Im Erdgeschoss des Museums geht es dann direkt los mit einer spannenden Zeitreise durch das Dorfleben vergangener Jahrhunderte. In den original erhaltenen Räumen des ehemaligen Backhauses erfahrt Ihr, wie die Menschen hier früher lebten und arbeiteten. Alte Küchengeräte, Butterfass, Kornmühlen, Spinnräder und eine komplett eingerichtete Bauernstube lassen die Vergangenheit greifbar werden.

Ein alter weißer Gusseisenherd mit Kochgeschirr, Töpferwaren und Küchenutensilien aus Metall steht an einer mit gerahmten Schwarzweißfotos dekorierten Wand in einem Kaltensundheim-Raum mit Holzboden.

Alles ist liebevoll zusammengetragen – von ehemaligen Dorfbewohnern gestiftet oder aus dem Fundus der Gemeinde bewahrt. Besonders eindrucksvoll ist die Backstube selbst, in der Ihr nicht nur den großen gemauerten Ofen bewundern könnt, sondern auch Werkzeuge wie Brotschieber, Teigmulden und Mehltöpfe – fast so, als stünde die nächste Backaktion kurz bevor.

Eine alte Milchzentrifuge aus Metall von Kaltensundheim mit einem rot-silbernen Sockel steht auf einem grünen Tisch, umgeben von Milchkannen und einem braunen Emaille-Milchkrug in einem Raum voller Antiquitäten und gerahmter Bilder an der Wand.

Das Museum legt viel Wert auf Authentizität. Es geht nicht darum, sterile Ausstellungsstücke zu präsentieren, sondern Geschichten zu erzählen. Jedes Stück im Museum hat eine Herkunft, einen Platz in der Dorfchronik. Die Besucher sollen das Gefühl haben, als würden sie bei den Urgroßeltern auf dem Hof zu Besuch sein – und genau das funktioniert hier wunderbar.

Eine gelbe Vintage-Butterkanne mit schwarzen Bändern und einer Handkurbel steht auf einem Holzboden neben einem Weidenkorb, einem Metallbehälter und einem Teil eines alten Kaltensundheim-Wagenrads.

DDR-Alltag und Dorfentwicklung

Ein weiterer Raum ist der jüngeren Vergangenheit gewidmet: der Zeit der DDR. Gerade für Besucher, die in den alten Bundesländern aufgewachsen sind, ist das eine besonders spannende Abteilung. Hier könnt Ihr einen Blick auf das Leben hinter dem „eisernen Vorhang“ werfen – mit Alltagsgegenständen aus der sozialistischen Zeit: Haushaltsgeräte, Schulmaterialien, Spielzeug und Kleidungsstücke aus Ost-Produktion, ergänzt durch Fotos, Dokumente und Geschichten aus erster Hand.

Ein gemütlicher Vintage-Raum mit einer verzierten Wanduhr, gerahmten Bildern und einer Holzvitrine mit einem alten gestickten Kaltensundheim-Banner, umgeben von verschiedenen antiken Gegenständen. Am linken Rand ist eine grüne Pflanze teilweise sichtbar.

Wie entwickelte sich das Dorf über die Jahrzehnte? Welche Berufe wurden ausgeübt, welche Feste gefeiert? Welche Herausforderungen brachte der gesellschaftliche Wandel mit sich? Auch darauf findet Ihr im Museum Antworten. Es gibt eine kleine Dauerausstellung zur Infrastruktur und Landwirtschaft, zu Handwerk und Gewerbe – mit Karten, Luftbildern und Zeitungsartikeln. 

Holztafel mit eingraviertem Bild eines Mannes und einer Frau in traditioneller bayerischer Kleidung aus der Zeit um 1900, darüber steht der deutsche Text „Bäuerliche Trachten der Rhön“, dekorative Blumenelemente und Hinweise auf das Erbe Kaltensundheims.

Ein Museum für alle Generationen

Was dieses kleine, aber feine Museum besonders macht, ist die Nähe zum echten Dorfleben. Hier wurde nichts künstlich inszeniert – es sind die Erinnerungen der Dorfgemeinschaft selbst, die dieses Haus füllen. Die Betreiber – meist ehrenamtliche Mitglieder des örtlichen Heimatvereins – geben ihr Wissen mit echter Leidenschaft weiter. Führungen sind auf Anfrage möglich, und bei Festen oder Thementagen wird das Museum lebendig wie ein Bienenstock. Kinder dürfen Dinge anfassen, ausprobieren, Fragen stellen – Geschichte zum Mitmachen, ganz ohne erhobenen Zeigefinger.

Eine alte Registrierkasse steht auf einem Tisch vor einer Tafel mit deutscher Schrift und erinnert an den Charme von Kaltensundheim. Darüber hängt eine verzierte hölzerne Wanduhr, während links ein Teil eines Wasserkochers zu sehen ist.

Ein Beispiel dafür ist die beliebte Museumsweihnacht, bei der das ganze Gebäude liebevoll dekoriert wird, ein weihnachtlicher Film gezeigt wird, Glühwein duftet und kleine Rätselaktionen das Wissen der Besucher testen. Auch Schulklassen kommen gerne hierher, um sich ein lebendiges Bild vom früheren Leben in der Rhön zu machen.

Ein alter Feuerwehrhelm aus Kaltensundheim mit drei Metallglocken, einer kleinen Adlerfigur oben drauf und zwei langen Rosshaarquasten, ausgestellt zwischen alten Werkzeugen und Holzgegenständen in einem Museum.

Das Highlight: Das Mastodon

Und natürlich ist da noch das absolute Highlight des Museums: die Replik der urzeitlichen Mastodonknochen – aber dazu mehr im nächsten Abschnitt. Denn das ist eine Geschichte für sich. Klar ist aber schon hier: Wer nach Kaltensundheim kommt, sollte sich dieses Museum nicht entgehen lassen. Egal, ob Ihr historisch interessiert seid, einen Familienausflug plant oder einfach ein Herz für liebevoll gestaltete Orte habt – das Dorfmuseum ist ein echtes Juwel in der Rhön.

Große versteinerte Kieferknochen und Mammutknochen aus Kaltensundheim, ausgestellt auf dunklem Boden in einer Museumsausstellung, mit einem Schild mit der Aufschrift Unterkiefer Mammut borsoni Ober-Pliozän (3 Millionen Jahre).

Das Mastodon von Kaltensundheim: Ein Fenster in die Urzeit

Ein spektakulärer Fund, mitten im Dorf

Stellt Euch vor, Ihr lauft über ein beschauliches Feld am Ortsrand von Kaltensundheim, die Sonne scheint, die Rhön zeigt sich von ihrer sanften Seite – und plötzlich liegt da… ein riesiger Knochen. Klingt wie aus einem Abenteuerfilm, oder? Doch genau so – oder zumindest so ähnlich – begann die Geschichte eines der faszinierendsten paläontologischen Funde Thüringens: das Mastodon von Kaltensundheim.

Schon in den 1950er-Jahren stießen Arbeiter bei Bauarbeiten auf seltsam große Knochenfragmente. Es dauerte nicht lange, bis klar war: Das hier ist kein normales Tier – es handelt sich um Überreste eines urzeitlichen Riesen, eines sogenannten Mastodon borsoni, einer ausgestorbenen Rüsseltierart, die der Familie der Gomphotherien zugeordnet wird. Mit anderen Worten: ein entfernter Verwandter des heutigen Elefanten – nur gewaltiger, mit beeindruckendem Körperbau und vier Stoßzähnen.

Großer versteinerter Kieferknochen mit Zähnen, teilweise in dunkle Erde eingebettet, ausgestellt in einer Indoor-Ausstellung in Kaltensundheim. In der Nähe sind ein kleiner Pinsel und ein Stock zu sehen, was auf eine laufende Ausgrabung oder Untersuchung hindeutet.

Was ist eigentlich ein Mastodon?

Jetzt mal ehrlich – Mastodon klingt wie ein Metalband-Name (ist es übrigens auch), aber was genau steckt dahinter? Mastodons waren, grob gesagt, die „wilden Cousins“ von Mammuts und heutigen Elefanten. Sie lebten bereits lange vor den Mammuts und bevorzugten ein wärmeres, bewaldetes Klima – also eher Laubwald als Tundra.

Der Mastodon borsoni, wie er in Kaltensundheim gefunden wurde, war ein Koloss: etwa 3,50 Meter hoch und über 5 Meter lang. Sein markantestes Merkmal waren die beiden unteren Stoßzähne im Unterkiefer, die wie eine Art riesiger Schaufel aus dem Maul ragten – perfekt geeignet, um Wurzeln oder weiches Erdreich aufzuwühlen. Im Gegensatz zu Mammuts hatten Mastodons eher konische Backenzähne, die ihnen das Zermalmen von weichen Pflanzen und Laub erleichterten.

Im Kaltensundheim-Museum wird in einer Glasvitrine auf einem Sandsockel ein Modell eines prähistorischen elefantenähnlichen Wesens mit langen, nach unten gebogenen Stoßzähnen ausgestellt.

Vom Erdfall zur Fundgrube

Die Knochen von Kaltensundheim stammen aus einem ehemaligen Erdfallsee, einem kleinen, natürlichen Wasserloch, das sich vermutlich aus einer geologischen Einsturzstelle gebildet hatte. Vor rund drei Millionen Jahren war dieser Ort eine Art Oase für die damalige Tierwelt. Hier wuchsen Sumpfzypressen, Stechpalmen, Haselnusssträucher, Magnolien und Lorbeergewächse – also eine üppige Vegetation, wie man sie heute eher im Süden Europas findet.

Tiere wie das Mastodon nutzten diesen See regelmäßig als Tränke. Doch das Gelände war tückisch: das Ufer steil, der Boden rutschig. Es wird angenommen, dass immer wieder Tiere ausrutschten, in den See stürzten und dort verendeten. Durch das sauerstoffarme Wasser und die gute Einbettung im Sediment blieben viele Knochen hervorragend erhalten – ein Glücksfall für heutige Forscher und natürlich für das kleine Kaltensundheim.

Eine Museumsschautafel mit dem Titel „Die Fossilfunde von Kaltensundheim“ zeigt einen deutschen Text, Fossilienbilder aus Kaltensundheim, Ausgrabungsszenen, wissenschaftliche Instrumente und Forscher, die Fossilien untersuchen.

Sensation in der Wissenschaft

1958 war es dann so weit: Die ersten Funde wurden wissenschaftlich untersucht. Schnell wurde klar, dass hier eine echte Sensation ausgegraben worden war. Es handelte sich nicht nur um ein einzelnes Fragment, sondern um ein weitgehend erhaltenes Skelett – ein Glückstreffer sondergleichen. In den Jahren 1963, 1976 und 1978 folgten weitere Grabungen, bei denen zusätzliche Knochen entdeckt wurden.

Ein Großteil dieser Funde wanderte in die Hände von Paläontologen – einige Teile werden heute im Museum Schloss Bertholdsburg in Schleusingen ausgestellt, andere im Senckenberg-Institut in Weimar gelagert. Doch das Dorfmuseum von Kaltensundheim hat es geschafft, das Herzstück der Geschichte in seinem Haus zu behalten: Gipsabdrücke der bedeutendsten Knochenfunde – fachmännisch gefertigt und in einer liebevoll gestalteten Ausstellung präsentiert.

Große Dinosaurierfossilien aus Kaltensundheim liegen auf dunklem Kies. Darunter befinden sich ein Gliedmaßenknochen und ein Kieferknochen mit Zähnen. Ein kleines Schild vor der Ausstellung informiert über Einzelheiten, während Besucher in der Nähe stehen und die uralten Überreste betrachten.

Ein Highlight für kleine und große Entdecker

Wer das Museum betritt, wird unweigerlich vom „sanften Riesen“ empfangen. Die Replik der Knochen ist nicht nur imposant, sondern auch informativ. Tafeln, Bilder und Illustrationen erklären Euch, wie das Mastodon gelebt hat, warum es ausgestorben ist und was genau den Fund von Kaltensundheim so einzigartig macht. Auch kleine Entdecker kommen hier auf ihre Kosten: Für Kinder gibt es kindgerecht aufbereitete Informationen, eine kleine Ausgrabungsstation zum Selberbuddeln und regelmäßig Führungen oder Aktionstage, bei denen das Urzeit-Thema spielerisch vermittelt wird.

Eine Nahaufnahme eines großen, versteinerten Dinosaurierknochens, der teilweise im dunklen Boden von Kaltensundheim vergraben ist. Im Hintergrund ist ein weiterer Knochen zu sehen.

Besonders charmant: Die Verbindung von Dorfgeschichte und Urzeit im selben Haus. Wo sonst kann man erst eine originalgetreue Bauernstube bestaunen und anschließend einem drei Millionen Jahre alten Rüsseltier begegnen? Genau diese Mischung macht das Erlebnis in Kaltensundheim so besonders – und so unvergesslich.

Ein großer, dunkelbrauner, versteinerter Zahn mit gezackten, spitzen Graten wird auf einer hellbraunen, gesprenkelten Oberfläche in einer Glasvitrine ausgestellt und in der Nähe von Kaltensundheim ausgegraben.

Fazit: Ein Besuch, der sich lohnt

Das Dorfmuseum von Kaltensundheim bietet eine einzigartige Kombination aus lokaler Geschichte und spektakulären paläontologischen Funden. Es ist ein Ort, an dem Vergangenheit lebendig wird und der Besucher auf eine faszinierende Reise durch die Zeit mitnimmt. Ob als Geschichtsinteressierter, Naturfreund oder einfach als neugieriger Besucher – ein Abstecher nach Kaltensundheim und in sein Dorfmuseum ist ein Erlebnis, das in Erinnerung bleibt.

Dorfmuseum
  • Adresse: Bachgasse 6, 98634 Kaltensundheim
  • Öffnungszeiten: Das Museum wird nur auf Anfrage geöffnet
  • Eintritt: Eintritt ist kostenlos, Spenden werden aber gerne entgegen genommen
  • Weitere Informationen:  036946 21610

Eine Werkbank in Kaltensundheim ist mit alten Handwerkzeugen bedeckt, darunter Handbohrer, Zangen, Holzklammern, eine Drahtbürste und andere Holzbearbeitungswerkzeuge, die alle unordentlich angeordnet sind.

Zum Weiterlesen

 

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